Der 30. September ist der Internationale Übersetzertag – inspiriert vom Kirchenlehrer Hieronymus, der die Bibel und weitere Schriften ins Lateinische übertrug und Ende September 420 verstarb. Er ist der Patron der Übersetzer, Gelehrten, Lehrerinnen, Schüler, Studentinnen, Korrektoren und Theologinnen. Der Taufname Hieronymus war und ist sehr beliebt – all die Namenträger wie Jérôme, Jerome, Jeroen, Jerónimo, Girolamo/Gerolamo usw. machen die...
«Mi Chatz isch schwanger», hörte ich kürzlich im Zug eine jüngere Person erzählen. «Unsere Sprache geht vor die Hunde!», dachte ich mir in diesem Moment. Warum? Nun, in meiner Vorstellung ist unsere Nachbarin vielleicht schwanger, unser Schnurrli hingegen ist trächtig oder eher si treit – und schon bald wird sie wärfe, jüngle oder chätzle und nicht etwa gebäre, ist doch klar. Oder? Dass die sprachliche Trennlinie zwischen Mensch und Tier in diese...
-er: gerade mal zwei mickrige Buchstaben sind eine der häufigsten Endungen deutscher Substantive. So klein, dass man sie fast übersieht – aber mächtig, wenn es um die unterschiedlichen Bedeutungsaspekte geht, die diese Silbe ausdrücken kann. Zwei Hauptfunktionen dominieren. Einerseits dient -er dazu, Einwohner- und Herkunftsbezeichnungen zu bilden: Ein Basler wohnt in Basel oder kommt von dort (und die Baslerin ist zumindest sprachlich ihrerseit...
Was ist der Unterschied zwischen einem Wiib und einer Frau? Kommt auf die Epoche und die Region an: Das mittelhochdeutsche wîp bedeutete schlicht «Frau», ebenso neutral wie der man «Mann», wogegen eine vrouwe eine «Herrin, Gebieterin», jedenfalls eine «Frau von höherem Stand» war. Diese Verhältnisse haben sich in der heutigen Standardsprache verschoben, das Weib ist eine abschätzige Bezeichnung und die Frau das allgemeine Wort für eine «weibliche...
Ruodi war mein Grossonkel, Dorotee ist die Cousine meiner Mutter, Rees mein Arbeitskollege, Triine eine stadtbekannte Wirtin und ich bin Tiis. So weit, so eindeutig – Namen helfen uns im Alltag, zielgerichtet und genau von Personen zu sprechen. Wenn ich von Triine erzähle, muss ich nicht wortreich erklären, dass das die ist, die in diesem Restaurant im Norden der Stadt (wie hiess es nochmal?) wirtet. Wer Triine kennt, weiss, von wem die Rede ist....
Jahreswechsel! Letzte Gelegenheit, im alten Jahr doch noch einmal unter den Ersten zu sein! Erste Chance, im neuen zu spät zu kommen! Der Jahreswechsel als Ende und Neuanfang war früher mit verschiedenen Spielereien verbunden, die heute vermutlich mehrheitlich vergessen sind. Wer am 31. Dezember (je nach Region am 1. Januar) zuerst aufstand und in der Stube erschien, war der Stubefuchs oder Stubehund und galt als besonders zuverlässig. ...
Wer bei Vollmond zum Himmel schaut, sieht ihn vielleicht, den Mann im Mond … wobei eindeutig zu erkennen ist er nicht. Online finden sich zig Erklärungen, wo genau sein Gesicht oder sein Körper wahrzunehmen sei. Sicher ist nur, dass Strukturen auf der Mondoberfläche, die von blossem Auge sichtbar sind, als menschliche Figur interpretiert werden. Schon Konrad von Megenberg schrieb in seinem «Buch der Natur» im 14. Jahrhundert: Der mon hat in ...
«Wir befinden uns im Jahr 2020 n. Chr. Der ganze schweizerdeutsche Wortschatz wird vom Schriftdeutschen verdrängt ... Der Ganze? Nein! Ein unbeugsames Wort hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.» René Goscinnys berühmte Einleitung, in der es im Original um ein gallisches Dorf geht, passt auch auf unser schweizerdeutsches Wort Gspäändli, auch «Gspändli» oder «Gspänli» geschrieben – den Gefährten, Kameraden beziehung...
Ein grosser Teil der Schweizer Angestellten arbeitet heute weder in der Landwirtschaft noch in der industriellen Produktion oder im Handwerk, sondern im Dienstleistungssektor – und von diesen wiederum sehr viele in Büros. Ja, wir sind ein Volk von Bürogummis. Wer allerdings glaubt, die Arbeitskräfte am Schreibtisch hiessen so, weil sie vor dem Einzug der Personal Computer in die Büros ständig mit Gummis Fehler in Texten ausradierten, irrt. Dass s...
Am 9. Februar 2020 wird im Kanton Bern über einen Transitplatz für ausländische Fahrende abgestimmt, und die Emotionen gehen hoch: Hier die rechtliche Verpflichtung, genügend Stellplätze zur Verfügung zu stellen, auch mit der Absicht, «wildes Campieren» von Fahrenden zu verhindern. Dort Vorbehalte in weiten Teilen der Bevölkerung, die auf Erfahrungen mit zurückgelassenem Abfall beruhen und auch auf antiziganistischen Vorurteilen. Solche Vorurteil...
Onlinedating ist die moderne Form des Kontaktknüpfens mit der Absicht, eine Beziehung einzugehen – ein Profil auf einer Plattform ersetzt dabei die gedruckte Kontaktanzeige. Aber nicht nur die Technik unterliegt einem Wandel, auch Sprache entwickelt sich immer weiter, und so unterscheidet sich die Ausdrucksweise solcher Profile von jener klassischer Anzeigen: Da kann man etwa häufiger lesen, Mister oder Miss Right seien gesucht, der oder die Rich...
Seit das deutsche Bundesverfassungsgericht die rechtliche Anerkennung eines dritten Geschlechts gefordert hat, ist das Stichwort inter/divers in aller Munde. Uneindeutige Geschlechtsmerkmale gab es natürlich schon vorher. Zur Benennung von Menschen dieser Geschlechtsausprägung griff man einfach auf Bezeichnungen für tierische Zwitter oder Hermaphroditen zurück: Ein Zwick m./n. ist ein «Tier mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen». Da solche Tiere...
Der Lööli oder Lööl (bzw. Löu) oder auch Lool ist bekanntlich ein Dummkopf, ein Einfaltspinsel. Was die Herkunft des Wortes angeht, denkt man an einen losen Zusammenhang mit der lautmalerischen Wortfamilie von lallen «undeutlich sprechen» und lullen «leise singen». Früher sprach man auch vom Lollbruder und vom Lollhart, beides spöttische Begriffe für einen (ungelehrten) Mönch. Das Wort ist schon seit mehreren Jahrhunderten geläufig. Der älteste b...
Der Waggis ist eine der beliebtesten Figuren an der Basler Fasnacht. Er stellt dort, ausgestattet mit einer übergrossen Nase, einen elsässischen Taglöhner in der Werktagstracht eines Gemüsebauern dar. Woher das Wort kommt, ist allerdings umstritten. Alte Quellen fehlen; erstmals schriftlich belegt findet sich der Waggis im Jahre 1870 in der Schweizer Zeitschrift «Gwunderchratte». Das Wort kommt in den Varianten Waggis, Wagges, Wackes und ähnlich ...
Die Idiotikon-Redaktion wird von Zeit zu Zeit angefragt, woher die scherzhafte Bezeichnung Dibidäbi für den Appenzeller stamme. Das Wort fehlt in unserem Wörterbuch, doch im Nachtragsmaterial haben wir eine erste Anfrage von 1939, in der es heisst, dass das Wort im St. Gallischen üblich sei. Leider hat sich die Antwort nicht erhalten. Spätere Belege kommen auch aus den Kantonen Zürich und Bern. Eine traditionelle Worterklärung, die immer wieder a...
Heute ist der Internationale Tag der Jugend. Die einschlägigen Wortartikel im Idiotikon wurden um 1900 herum verfasst und reflektieren einige eigentümliche Ansichten über die nachwachsende Generation. Hier ein paar Müsterchen: Morgens früh beim Heraustreten aus der Haustür einem Buben zu begegnen, galt in Stammheim für ein gutes Omen. D Mäitschi und Abrellewätter sind veränderli, hiess es im Luzernischen. Im Emmental bedeuteten Buben für die Pati...
Zwei schöne Ausdrücke, die in unserer kleinen Schimpfserie nicht fehlen dürfen, sind «Sirach» und «sirache». Die beiden Wörter gehen auf das biblische bzw. apokryphe Buch Jesus Sirach zurück, in dem mehrfach zur Sanftmut gemahnt und vor Streit gewarnt wird. Offenbar wurden die Weisheiten im Buch Jesus Sirach und vor allem die Warnung vor Streit so häufig gepredigt, dass sich der Name Sirach verselbständigt hat und seither stellvertretend für Zank...
Diese Woche geht es um den «Cheib» und den «Chog». Beide Wörter kennen in der Mundart eine recht vielfältige und schillernde Anwendung: Mit «Souchog» und «fuule Cheib» werden Menschen beschimpft. Sagt die Mutter zu ihrem gewitzten Kleinen «bisch es Chögli», meint sie das jedoch anerkennend-liebkosend, vom Tadel ist fast nichts mehr spüren. Im Ausruf «verreckte Cheib» kommt wiederum unverhüllte Überraschung zum Ausdruck. Und in «cheibeschöön» und ...
Das Wort der Woche ist der «Gaggelaari», ein dummer Schwätzer, ein Nichtsnutz, ein Dummkopf. Es handelt sich dabei um eine Zusammensetzung aus «Laari» = langsamer, alberner Mensch, das seinerseits abgeleitet ist vom Verb «laare» oder «laale» = dumm schwatzen, sich einfältig gebärden, und vom Verb «gagge» oder «gaggele» = gackern; stottern; dumm reden. Das Idiotikon hatte kürzlich eine Anfrage, ob der «Gaggelaari» ein Schimpfwort sei. Nun – höflic...
Das Wort der Woche ist der «Chnuupe-» oder «Chnuppesaager», was «Geizhals, Rappenspalter» bedeutet. Ein «Chnuupe» oder «Chnuppe» ist ein Knollen, und ein «Saager» ist der Besitzer einer Säge, ein Sägmüller. Diesem wurde vielfach eine Neigung zum Geiz nachgesagt. Er soll die kleinsten «Chnuupe» noch einmal zersägt haben, um selbst aus dem geringsten Holzstück einen kleinen Gewinn zu erwirtschaften. Ganz ähnliche Wortbildungen sind «Chümisaager», «...