Unsere adventliche Wortgeschichte 2020 ist einer der Hauptfiguren der Saison gewidmet: Gott. Der einschlägige Artikel im Schweizerischen Idiotikon wurde 1887 verfasst. Bemerkenswert ist schon die Definition: «das lebendig und persönlich gedachte höchste Wesen, meistens der éine, wahre Gott des Christentums». Die erste Hälfte der Definition ist zeitlos formuliert und könnte auch in einem modernen Wörterbuch stehen; die zweite Hälfte würden wir he...
Landauf, landab finden besonders im Spätsommer und Frühherbst die Chilbenen oder Chilbinen statt – Jahrmärkte mit einem (wie man in Deutschland sagt) Rummelplatz. Dieses Wort lässt kaum mehr erkennen, was dahintersteckt: Es ist Chilch-Wîhi, also «Kirchweihe». In fast allen Deutschschweizer Mundarten wurde das Grundwort Wîhi aber zu -wi verkürzt und das inlautende -ch- ist fast überall geschwunden, womit das Wort nun Chilwi hiess. In alten Texten ...
Im Ausland gilt grüezi als das Schweizer Wort schlechthin. In der Schweiz weiss man natürlich, dass man in Bern und einigen weiteren Regionen im Westen nicht grüezi, sondern grüessech sagt. Nicht allgemein bekannt ist aber selbst hierzulande, dass es Regionen gibt, wo weder grüezi noch grüessech bodenständig sind, sondern dass es stattdessen in Basel, Solothurn, Freiburg, Wallis, der Innerschweiz, dem südlichen St. Gallen und in Teilen Graub...
Unsere Weihnachts-Wortgeschichte widmen wir den wichtigsten Nebenfiguren bei der Geburt Christi: dem Ochsen und dem Esel. Sachlich dürfte es klar sein: Im Stall stand kaum ein Zuchtstier, sondern wohl ein kastrierter Ochse, den man für schwere Arbeiten gebrauchen konnte. Sprachlich sind die Verhältnisse für uns Deutschsprachige aber nicht so eindeutig, denn Ochs(e) konnte früher sowohl das verschnittene als auch das nicht verschnittene Rind bezei...
Kraftausdrücke sind stark dem gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld unterworfen. Um seine Ausdrucksweise zu würzen, berief man sich früher gerne auf Gott und Teufel, auf Seele, Sakrament, Eid und Verdammung. So richtig wohl war es einem dabei aber nicht, weshalb unser älteres Schweizerdeutsch zahlreiche Verballhornungen dieser heiklen Wörter kennt. Wir bringen im Folgenden einige Beispiele. Gott, Gottes- wurde zu Botz oder Bott. So hiess es e...
Weihnacht steht vor der Tür – es ist Zeit für unsere Weihnachts(wort)geschichte. Zum Sprachlichen müssen wir wenig sagen, ist es doch weithin bekannt, dass in «Weihnacht» althochdeutsch wīh «heilig» und naht «Nacht» steckt; althochdeutsch zi dēn wīhēn nahtun bedeutete also «in den heiligen Nächten». Vielleicht nicht mehr so bekannt ist, dass man das Wort im traditionellen Schweizerdeutsch Wienecht, also mit einem abgeschwächten ‑e- in der zweiten...
Für «Andreas» kennt das Schweizerdeutsche viele Varianten: Andrees, Anerees, Andreies, Andreia, Andris, Ändri, Änderli, Ändi, Drees, Rees, Reesel, Reesi, Nanzi... Am 30. November ist Andreastag – beziehungsweise dialektal Zantandreeschtagg (Wallis), Andreesetag (Nidwalden) oder Za[n]tanderschtig, Sätanderschtig (Prättigau). Bis ins 18. Jahrhundert hinein galt er als Termin für die Entrichtung von Zinsen und Zehnten. Er bot und bietet aber auch zu...
Jetzt zieht es wieder durch die Lande: das Chrischtchindli oder Wienechtschindli, wie es in den reformierten Teilen der westlichen Deutschschweiz aus religionspuristischen Gründen genannt wird. Oder ist es, wie uns Weihnachtsbeleuchtung und Werbung glauben machen wollen, allenfalls doch eher Santa Claus? Will man sich über die Identität des Gabenbringers in der Schweiz informieren, lohnt es sich, einen Blick ins Schweizerische Idiotikon – das nic...
Wer hätte gedacht, dass auch Tiere reformiert, katholisch, natur- und areligiös sein können? Die Rede ist vom Marienkäfer oder Siebenpunkt. Da die Marienverehrung ganz der katholischen Konfession zugehört, wird das Wort Maria oder Muttergottes von den Reformierten gemieden. Stattdessen wird im Bestimmungswort, also im ersten Teil des Wortes, der Bezug auf Gott, Jesus, den Herrn und den Himmel genommen: Liebgott- ist im Südwestaargau und in Graubü...
Besonders im Grossraum Zürich und im Gebiet des alten Bern (heute Bern, Waadt, westlicher Aargau) kennt man ihn: den Berchtoldstag, dialektal «Bächteli(s)tag», «Berchteli(s)tag», «Berteli(s)tag» oder «Bärzeli(s)tag». In der Berner und Zürcher Tradition fällt er auf den 2. Januar, im thurgauischen Frauenfeld auf den dritten Montag im Januar. Doch wer ist Berchtold? Einen Heiligen dieses Namens gibt es nicht, und die Kantone, die den Tag begehen, s...
Namentlich in den zwölf Nächten zwischen Weihnachts- und Dreikönigstag zieht es durch einsame Gegenden oder mitten durch Häuser, teils lärmend und schreiend, teils begleitet von Jagdrufen und Hundegebell, teils von geisterhaft lockender Musik: das Wüetisheer. Es handelt sich dabei um einen Zug armer Seelen, manchmal auch um ein einzelnes Gespenst. Im ersten Wortbestandteil steckt der germanische Gott Wuotan, was in der berndeutschen Lautung Wüeti...
Zwei schöne Ausdrücke, die in unserer kleinen Schimpfserie nicht fehlen dürfen, sind «Sirach» und «sirache». Die beiden Wörter gehen auf das biblische bzw. apokryphe Buch Jesus Sirach zurück, in dem mehrfach zur Sanftmut gemahnt und vor Streit gewarnt wird. Offenbar wurden die Weisheiten im Buch Jesus Sirach und vor allem die Warnung vor Streit so häufig gepredigt, dass sich der Name Sirach verselbständigt hat und seither stellvertretend für Zank...
Das Wort der Woche ist zu Ehren der in dieser Jahreszeit vielerorts stattfindenden Chilbenen die «Chilbi», die schweizerische Bezeichnung für den Jahrmarkt und den Rummelplatz. «Chilbi» geht zurück auf altalemannisch «kilchwîhi», bedeutet also ursprünglich «Kirchweihe». Die heutigen Chilbenen sind terminlich oft von den alten Kirchweihtagen losgelöst; dass aber etwa der Termin des Zürcher Knabenschiessens mit seiner grossen Chilbi auf das zweite ...