Wenn die Eltern des Schreibenden ihre Kinder abends langsam im Bett sehen wollten, hiess es: Fiiroggna, sus gits kei Guatnachtgschicht – eine Aufforderung, das Pyjama anzuziehen und die Zähne zu putzen. Jahrelang behaupteten sie, das auffällige Wort komme vom angeblichen Feierabendrock, den man abends anziehe, eben dem Pyjama. Bis die vermeintlich auf die eigene Familie beschränkte Bezeichnung unverhofft doch noch verwandtschaftlichen Anschluss f...
«Wir befinden uns im Jahr 2020 n. Chr. Der ganze schweizerdeutsche Wortschatz wird vom Schriftdeutschen verdrängt ... Der Ganze? Nein! Ein unbeugsames Wort hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.» René Goscinnys berühmte Einleitung, in der es im Original um ein gallisches Dorf geht, passt auch auf unser schweizerdeutsches Wort Gspäändli, auch «Gspändli» oder «Gspänli» geschrieben – den Gefährten, Kameraden beziehung...
Sucht man im Schweizerischen Idiotikon das Wort «Herd», findet man zwar das gut schweizerdeutsche Häärd mit der Bedeutung «Erde, Erdboden» – aber keine Spur vom Ding, auf dem man kocht: 1890, als der Wortartikel Hërd (wie er etymologisch korrekt angesetzt ist) verfasst wurde, war den damaligen Redaktoren die Bedeutung «(Koch-)Herd» zu modern, um ins Wörterbuch aufgenommen zu werden. Unter den darauffolgenden Zusammensetzungen findet sich immerhin...
Ein grosser Teil der Schweizer Angestellten arbeitet heute weder in der Landwirtschaft noch in der industriellen Produktion oder im Handwerk, sondern im Dienstleistungssektor – und von diesen wiederum sehr viele in Büros. Ja, wir sind ein Volk von Bürogummis. Wer allerdings glaubt, die Arbeitskräfte am Schreibtisch hiessen so, weil sie vor dem Einzug der Personal Computer in die Büros ständig mit Gummis Fehler in Texten ausradierten, irrt. Dass s...
Der März ist die Zeit, in der in den Weinbergen traditionell die Stickel, Sticklig oder Räbstäcke geprüft und gegebenenfalls ersetzt werden: Die hölzernen Pfähle aus Holz der Familie der Kieferngewächse (Pinaceae), an denen die Reben festgebunden und dressiert (erzogen) werden. Zum Überprüfen werden die Stecken aus dem Boden gezogen; mit einem Schlag wird festgestellt, ob die Spitze gefault ist (dann erzeugt der Schlag einen dumpfen Ton). In dies...
Am 9. Februar 2020 wird im Kanton Bern über einen Transitplatz für ausländische Fahrende abgestimmt, und die Emotionen gehen hoch: Hier die rechtliche Verpflichtung, genügend Stellplätze zur Verfügung zu stellen, auch mit der Absicht, «wildes Campieren» von Fahrenden zu verhindern. Dort Vorbehalte in weiten Teilen der Bevölkerung, die auf Erfahrungen mit zurückgelassenem Abfall beruhen und auch auf antiziganistischen Vorurteilen. Solche Vorurteil...
Redaktion und Mitarbeitende des Schweizerischen Idiotikons hoffen, dass alle Freundinnen und Freunde des Wörterbuchs das neue Jahr gut angefangen haben! Bei der einen oder dem andern könnte bei den vergangenen Festtagen vielleicht ein Gläschen zu viel der Feierfreude dabei gewesen sein. Hoffen wir, dass es beim Näbel geblieben ist, wie der «leichte Rausch» manchenorts auch genannt wird, wohl weil er den Geist vernebelt. Bei Gotthelf heisst es: «M...
Onlinedating ist die moderne Form des Kontaktknüpfens mit der Absicht, eine Beziehung einzugehen – ein Profil auf einer Plattform ersetzt dabei die gedruckte Kontaktanzeige. Aber nicht nur die Technik unterliegt einem Wandel, auch Sprache entwickelt sich immer weiter, und so unterscheidet sich die Ausdrucksweise solcher Profile von jener klassischer Anzeigen: Da kann man etwa häufiger lesen, Mister oder Miss Right seien gesucht, der oder die Rich...
Angeblich ist das Heimweh die Nationalkrankheit der Schweiz – höchste Zeit, ihm eine Wortgeschichte zu widmen! Die frühesten Belege für «Heimweh», die das Schweizerische Idiotikon zitiert, stammen aus dem 17. Jahrhundert. In einer Sammlung von Scherzreden aus dem Jahr 1651 heisst es: «[Andere,] die auch ußert dem Vatterland sind, als da sind Soldaten und Handtwercksgesellen, [...] kömm etwann das Heimwee so starck an, daß si daran sterbind.» Inte...
Wenn Isabelle mit Nicole und Madlaina fürs Kino abgemacht hat, am Treffpunkt aber nur Madlaina antrifft und diese fragt, wo denn Nicole bleibe, so antwortet Madlaina vielleicht: «Si isch sich nid z verrichta koo» – und Isabelle, sofern sie keine Bündnerin ist, wird nur Bahnhof verstehen. Die Redewendung sich nid z verrichta koo, eigentlich eher eine feste Wortverbindung, besteht zwar aus lauter Wörtern, die jedes Kind versteht, aber in der Kombin...
Für die Schweizer Gliedstaaten gab und gibt es viele Namen: Stadt, Land, Ort, Stand, Staat – und natürlich Kanton. Die früheste offizielle Bezeichnung für die Glieder der Eigenossenschaft war «Stett und Lender».– Stadt kann man heute nicht mehr auf einen Kanton anwenden, da die damaligen Reichsstädte Zürich, Bern, Luzern usw. heute nur noch gewöhnliche Gemeinden sind.– Land lebt hingegen in einigen Kantonen weiter, die eine «Landsgemeinde», einen...
Ein Schorsch Ggaggo ist ein Ewigdummer, ein Sündenbock, ein Verlierer, der für andere den Kopf hinhält – «Ig ha lang gnue der Schorsch Ggaggo gspilt!», ruft also aus, wer sich nicht mehr alles bieten lassen will, wessen Gutmütigkeit überstrapaziert wurde. Aber kann man das heute überhaupt noch sagen oder ist der Schorsch Ggaggo eigentlich dasselbe wie der Neger im Umzug, nämlich der Dumme als rassistisches Zerrbild eines Schwarzafrikaners? Das kö...
«Geschter bini z Luzärn gsi, hüt gooni uf Bärn und morn bini z Lausanne», spricht eine ältere Zugreisende ins Telefon. «Nei, nei, hinech bini am haubi achti deheime, es het mer scho nächti uf Tagesschou heiglängt», geht es weiter. «Friburg? Dört bini färn gsi, hüür wotti öppis Nöis gseh», erzählt sie weiter. Die umtriebige Rentnerin muss ein GA besitzen. Geschter, hüt, morn, hinech, nächti, färn und hüür. Mit diesen Adverbien strukturiert die Zug...
Im Ausland gilt grüezi als das Schweizer Wort schlechthin. In der Schweiz weiss man natürlich, dass man in Bern und einigen weiteren Regionen im Westen nicht grüezi, sondern grüessech sagt. Nicht allgemein bekannt ist aber selbst hierzulande, dass es Regionen gibt, wo weder grüezi noch grüessech bodenständig sind, sondern dass es stattdessen in Basel, Solothurn, Freiburg, Wallis, der Innerschweiz, dem südlichen St. Gallen und in Teilen Graub...
Brunch, Eiertütsche, Osternestersuche im Garten und dann ein Spaziergang – so feiert die durchschnittliche Familie in der Deutschschweiz heute Ostern. Früher aber, da kannte man eine ganze Reihe weit aufregenderer Vergnügungen zum Frühlingsbeginn an Ostern. Aus dem Prättigau berichten verschiedene Autoren, dass je nach Schneeverhältnissen auf dem Platz oder auf einer Wiese Gemeinschaftsspiele der Ledigen stattfanden. In Furna spielten die Hornuss...
Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein kannte man in der Schweiz und in Südwestdeutschland den merkwürdigen Brauch, den Jubilar, die Jubilarin am Geburtstag oder Namenstag zu würgen oder jedenfalls so zu tun – jawohl, Sie haben richtig gelesen! Ist das nun wörtlich zu nehmen oder nicht? Schlägt man im Schweizerischen Idiotikon zunächst das Wort helsen, eine Ableitung von Hals, nach, scheint Letzteres zuzutreffen: Alemannisch helse bedeutet «schenken...
Wer im Schweizerischen Idiotikon krass nachschlägt, wird wohl ziemlich erstaunt sein: Im Band 3, der im Jahr 1895 abgeschlossen wurde, findet sich unter dem Stichwort krass einzig die befremdende Definition ‘Nachahmung des Geschreis der Raben’. Die Bedeutung wird mit einem Beleg aus Johann Wilhelm Simlers Regentenspiegel aus dem 17. Jahrhundert illustriert, wo zu lesen ist: «Die Raben zu Nichts als krass zu schreien taugen.» Dokumentiert wird dad...
Der Jahreswechsel war und ist mit verschiedenen Bräuchen verbunden. Dazu gehören bestimmte Neujahrsgebäcke, die man den Kindern schenkte und den Gästen offerierte, die kamen, um das Neujahr anzuwünschen. Das Idiotikon nennt den Bümmel, einen braunen Honigfladen, den Zupfewegge in Zeiningen, den Tirggel in Schaffhausen, das Tüübli in Bern, das Schnäggli und das Spätzli im Zürcher Weinland, die verbruet Schlange in Zürich, den Ring in Lutzenberg, a...
Der Batzen vom Grosi oder vom Götti will am Kiosk gut investiert sein: Wie viele Kaugummis gibts dafür? Oder doch besser ein Heftli? Oder Zuckerschlangen? Oder reicht es für alles zusammen? Dem Rat zum Trotz, sich das Geld einzuteilen, ist der Batzen bei den Kindern meist auf einen Schlag weg. Sein Geld für unnötige Kleinigkeiten auszugeben – die einen würden gar von verschwenden sprechen –, dafür finden sich im Schweizerischen Idiotikon einige W...
Advent ist nicht nur das Warten auf das Fest der Geburt Christi, sondern für viele auch eine Hoch-Zeit des Einkaufens – schliesslich müssen ungezählte Liebste mit einem Geschenk beglückt werden. Wie sagt man dieser Tätigkeit denn nun eigentlich auf gut Schweizerdeutsch? Wer im Schweizerischen Idiotikon nachschlägt, wird nicht so recht fündig – genauer gesagt: solange das «sinnvolle» Einkaufen gemeint ist. Um dieses geht es in dieser Wortgeschich...
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