Wenn es wieder früher dunkel wird, hat man die Kinder abends gern im Haus und unter Kontrolle. Vermutlich brauchen heutige Eltern reale Argumente, um sie zur rechtzeitigen Heimkehr zu bewegen. Früher setzte man dagegen auf Angst und Abschreckung: Man erzählte ihnen von Schreckgestalten, die Kinder holten, wenn sie abends noch draussen unterwegs waren. So sagte man ihnen in der Romandie und in manchen Tessiner und romanischen Bündner Orten, aber a...
Viele DeutschschweizerInnen sind stolz darauf, dass sie im Gegensatz zu Norddeutschen Zwetschgen und Pflaumen auseinanderhalten können. In wissenschaftlicher Terminologie wird zwar zwischen den beiden unterschieden, aber vor allem hierarchisch: Prunus ist der Name eine Untergattung der Steinobstgewächse, die wiederum in verschiedene Sektionen unterteilt ist, deren eine ebenfalls Prunus oder deutsch Pflaume heisst – Pflaume (Prunus domestica) ist...
Schweizerdeutsch – wie auch seine alemannischen Nachbarmundarten im Oberelsass und in Südwestdeutschland – kennt nach gaa/goo «gehen» eine eigenartige Partikel, nämlich go (oder ga, ge, gi, gu) – die auch noch verdoppelt werden kann: ich gang go(ge) schaffe, go spaziere, go schlaaffe. Die Idee, dass dieses go nichts anderes sei als gaa/goo, dass also «gehen» einfach verdoppelt werde, ist alt – aber stimmt sie oder stimmt sie nicht? Ja und nein. S...
Heute singt, wer dazu aufgelegt ist und den Text kennt, zu patriotischen Anlässen Trittst im Morgenrot daher …, bekannt als «Schweizerpsalm». Bis 1961 galt «Rufst du, mein Vaterland» als Nationalhymne. Deren Nachteil war, dass sie zur Melodie von «God save the Queen» gesungen wurde, der Hymne der britischen Monarchie, was zur kuriosen Situation führen konnte, dass bei Sportanlässen dieselbe Melodie für zwei unterschiedliche Länder gespielt wurde....
Die Schweiz ist zwar im Achtelfinal der WM ausgeschieden, aber wir machen mit unseren Wortgeschichten zum Fussball weiter! Die Fachterminologie des Fussballs wurde Ende des 19. Jahrhunderts gleich zusammen mit dem Sport aus England in die Schweiz importiert. Darum heisst es in der Deutschschweiz immer noch Goal statt wie in unseren nördlichen Nachbarland eingedeutscht Tor, Penalty statt Strafstoss und Corner statt Eckstoss. Das hiesige tschuute, ...
Die Fussballweltmeisterschaft in Russland hält für die Schweizer Nati schon in der Gruppenphase Herausforderungen bereit. Nach dem gelungenen Einstand gegen Brasilien trifft die Mannschaft am Freitagabend auf Rätzen. Dieser historische Name für Serbien leitet sich von einem Teil seiner Bewohnerschaft ab: Ein Rätz war ein griechisch-katholischer (statt orthodoxer) Serbe. Das Wort ist mit der früher gebräuchlichen Bezeichnung Raizen für die serbisc...
E Falle mache findet sich im ersten Band des Schweizerischen Idiotikons, der in den frühen 1880er-Jahren erarbeitet wurde, aus Basel bezeugt, und als Bedeutungsangabe steht daneben «betrübtes Gesicht». Zumindest heute kennt man den Begriff natürlich in der ganzen Deutschschweiz. Betrachten wir Wendungen, die das Gleiche bedeuten, dann kommen wir der ursprünglichen Meinung von Falle auf die Schliche: Das Wort «Lätsch» in Er macht en Lätsch bedeute...
Wer kennt sie nicht, die Wendung das isch en Heisse oder auch das isch mer en z Heisse im Sinne von «das ist eine heikle Sache» bzw. «eine zu heikle Sache»? Nur: en heisse – was? Eigenartig, dass einem – anders als bei en Schöne (nämlich Tag) und en Guete (nämlich Appetit) – nicht gleich das fehlende Substantiv einfällt… Für die Bearbeiter der dritten Auflage des «Zürichdeutschen Wörterbuchs», die 1983 herauskam, war die Sache jedoch noch klar. U...
In den kommenden Wortgeschichten wollen wir einigen typisch schweizerdeutschen Wendungen nachspüren. In dieser Wortgeschichte geht es nun um «Figgi und Müli». Figgi und Müli haa bedeutet «zwei Optionen zugleich offen haben». Der Begriff stammt aus dem Mühlespiel: Eine «Mühle», schweizerdeutsch Müli, sind im Mühlespiel (oder Nüünimool, -spiil, -schtäi, -zie, wie man hierzulande auch sagt) drei Steine der gleichen Farbe, die in einer Geraden auf Fe...
Wer über die vergangenen Feiertage zu viel gegessen hatte, litt danach womöglich an Übelkeit oder Nausea. Der Bildhaftigkeit des lateinischen Fachausdrucks, von griechisch nautía «Seekrankheit», stehen die Dialekte keineswegs nach, wenn es um die Folgen von Übelkeit, das Erbrechen, geht. Schon im 16. Jahrhundert verzeichnet Josua Maaler in seinem Wörterbuch die Redewendung em Ueli rüeffe «sich erbrechen». Laut dem Schweizerischen Idiotikon geht d...
Heute konzentriert sich das um die Wintersonnenwende übliche Schenken auf Weihnachten. Früher gab es (und gibt es da und dort noch heute) eine ganze Reihe möglicher Geschenktermine – Nikolaustag, Heiligabend, Weihnachtstag, Neujahrstag und Dreikönigstag. Wohl ganz verschwunden sind die traditionellen Namen für das, was wir heute einfach Gschänk oder Gschänkli nennen: die Helsete, der Helstag und, besonders sprechend, das Guetjahr oder Guetjohr. D...
Seit das deutsche Bundesverfassungsgericht die rechtliche Anerkennung eines dritten Geschlechts gefordert hat, ist das Stichwort inter/divers in aller Munde. Uneindeutige Geschlechtsmerkmale gab es natürlich schon vorher. Zur Benennung von Menschen dieser Geschlechtsausprägung griff man einfach auf Bezeichnungen für tierische Zwitter oder Hermaphroditen zurück: Ein Zwick m./n. ist ein «Tier mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen». Da solche Tiere...
Wer kennt sie nicht, die Focaccia? Das aus Italien stammende und nun auch in germanischen Gefilden modisch gewordene, mit Olivenöl und Salz gewürzte und allenfalls mit weiteren Zutaten versehene Fladenbrot? Es ist auf unseren Esstischen angekommen – und damit auch im Schweizerdeutschen. Kaum jemand aber weiss, dass wir das gleiche Wort schon einmal in unserer Sprache hatten, bis es im 19. Jahrhundert ausgestorben ist: das Fogetze-, Fogesse- oder ...
Das Wörtlein allpott brauchen wir im Zusammenhang mit «nicht periodischen Vorgängen und Zuständen, die sich in kurzen Zwischenräumen wiederholen», wie es im Schweizerischen Idiotikon heisst. Der Thurgauer Otto Nägeli schrieb 1898 etwa von einem Ruderer: Dää mues allpott verschnuufen und d Händ mit Chlopfe vertwärme. Im Büchlein «Sang und Klang» von 1899 steht: Myn Schatz chood allpott vor s Lädeli, macht: pst! ond: wo bischt? Und 1651 meinte ein ...
Wir fahren fort in unserer Serie geheimnisvoller Kleinwörter. Diesmal geht es um se, sèda, sine, sabie, selewie und Konsorten. Sèda kennen zumindest noch die Älteren unter uns. Es wird beispielsweise gesagt, wenn man einem Kind etwas reicht, und steht für «da, nimm, voilà». Im vorderen Teil des Wortes steckt ein altes germanisches Wort, das im Gotischen als sai und im Althochdeutschen als sē vorkam; es bedeutete etwa «wohlan», «nun denn». Im Schw...
Weiter geht's in unserer Serie über schweizerdeutsche Kleinwörter – dieses Mal mit ächt. Jä sette mer ächt nonig hei? schrieb die Aargauerin Sophie Haemmerli-Marti 1913, wie wirds mer ächtert gaa? der Zürcher Johann Martin Usteri 1831 und hets mi ächterscht nid lieb? der Baselbieter Jonas Breitenstein 1864. Google liefert uns hingegen fast ausschliesslich einen anderen Typus ächt, der etwa in ächt schwyzerisch, ächt Bärn, ur ächt, ächt guet oder ...
Schweizerdeutsch kennt so hübsche Kleinwörter wie aade, ächt (in: chunt si ächt?), äisder, albe, allpott, amel, ämel, amig, ase, esie, (mo)moll, notte, sèda, selewie odersobänd – wer hat sich nicht schon gefragt, woher sie stammen? In dieser Wortgeschichte fangen wir mit albe & amig an. Albe (oder aube) und amig (oder amigs) sind Geschwister: Ersteres ist im Baselbiet, im Bernbiet und im Freiburgischen zuhause, letzteres im Zürichbiet. Weiter...
Nein, mit dem Spatz, dem Sperling, hat Spatzig natürlich nichts zu tun. Das Wort kennt Varianten wie Spaazig, Spaazis und Spaazi, womit wir dem Ursprung näher kommen: Es geht auf italienisch spazio zurück, was «Raum, Platz», auch «Zwischenraum», «Abstand», «Zeitspanne», «Zeitraum» bedeutet; zugrunde liegt lateinisch spatium mit den gleichen Bedeutungen. Die ursprünglichste der schweizerdeutschen Lautungen ist also Spaazi. Die Variante mit dem sc...
En Lätsch mache heisst «missmutig den Mund verziehen», lätsche meint «den Mund zum Weinen verziehen; weinen», und ein Brüel(l)ätsch ist ein «oft und laut weinendes Kind». Das Wort Lätsch hat eine überraschende Verwandtschaft: den Latz und das Lasso. Alle drei gehen letztlich auf lateinisch laqueus «Schlinge, Fallstrick» zurück, haben also gemeinsame Grosseltern – aber nicht gemeinsame Eltern. Im Spanischen wurde lateinisch laqueus zu lazo, was ne...
Schwulenpest nannten noch vor Kurzem manche Aids politisch ganz unkorrekt. Heute hat die Krankheit, obwohl immer noch nicht heilbar, ihren Schrecken weitgehend eingebüsst, und der eine oder die andere spricht euphemistisch von einem Chäferli, das Angesteckte aufgelesen oder eingefangen haben. Ins Idiotikon haben es weder Schwulenpest noch Chäferli geschafft, weil es die Krankheit noch nicht gab, als die entsprechenden Bände erschienen. Chäferli k...
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