Chümi, Chlotz und Chlütter
«Über Geld spricht man nicht, man hat es.» Dieser Spruch drückt das Unbehagen aus, wenn in einem Gespräch die eigenen finanziellen Verhältnisse thematisiert werden sollen. Geld ist in vielerlei Hinsicht ein Tabuthema, zu gross ist die Angst, man könnte von anderen als Grossverdiener, als armer Schlucker, als Neureicher, als von Schulden geplagt, als Geizhals oder als reicher Erbe taxiert werden. Gleichwohl dringt das leidige Thema immer wieder an die Oberfläche, und wie es so ist bei Tabus: Der Mensch ersinnt dann Wege, die Dinge gewissermassen durch die Hintertür doch noch aufs Tapet zu bringen.
Gut beobachten lässt sich dies bei Fragen, die die Religion oder die menschliche Sexualität betreffen. Die Kreativität kennt dann oft keine Grenzen mehr – vor allem in der vulgären Umgangssprache. So auch beim Thema Geld: Nicht nur für den einzelnen Münzen- oder Banknotentyp lassen sich unzählige Wörter anführen, auch für die mehr oder weniger abstrakte Vorstellung von Geld im Sinne von 'Vermögen' oder 'Zahlungsmittel allgemein' gibt es ein grosses Vokabular. Anders als bei der Religion, wo die sprachlichen Ausweichmanöver häufig darin bestehen, das Unsagbare an der Wortoberfläche zu frisieren (wenn etwa im Ausruf aus Jesus ein Jeegerli wird), verlegt sich der Mensch beim Sex und beim Geld auf Metaphern: bildhafte Umschreibungen, die nur im Kontext verständlich sind. Sogenannte «Bildspender» sind beim Geld gerne Kollektivbegriffe. Beim schon bei Jeremias Gotthelf belegten Kümmi sind es die unzählbar vielen Kümmelsamen, ähnlich bei der Chole, beim Chiis, beim (natürlich hochdeutschen) Schotter: Es ist immer unzählbar und es enthebt den Besitzer einer genauen Mengenangabe. Ähnlich dürfte es bei Wörtern wie Goifer oder Schnee sein (die Beispiele stammen aus dem Zürcher Slängikon).
Einem anderen Bildspenderbereich entstammen Wörter wie Chlotz ('Klumpen'), Chlütter (eigentlich 'flüssiges Exkrement') und Chnätti (aus hochdeutsch Knete 'Knetmasse > Geld'): Hier übermittelt vielleicht der Aspekt der grundsätzlichen Unförmigkeit die Abstraktion. Natürlich spielen aber auch sprachliche Spielereien und produktive phonetische Muster eine grosse Rolle, denn warum sonst begegnen uns gerade in diesem Sachbereich so viele Wörter, die mit einem K bzw. Ch und wahlweise einem Konsonanten beginnen? Die hochdeutschen Kröten gehören hier ebenso genannt wie die schweizerdeutschen Chalch, Chien, Chlette, Chrüsi (alle aus dem Idiotikon) sowie Chläbrigs, Chloibi, Chludi und Chlööte (aus dem Slängikon).
Mit St- beginnen (neben Stätz und Stiis, die das Slängikon kennt) Stei und Stutz. Letzteres kann als Kollektivbegriff dienen (Die hät Stutz!), beide können aber auch von einer genaueren Angabe begleitet sein (hundert Stutz, tuusig Stei). Bei Stei sind beide Aspekte nachvollziehbar, obwohl vom Idiotikon auch der rotwelsche Mühlstein 'Gulden' ins Spiel gebracht wird – also der Aspekt des Scheibenförmigen wie bei der Grampolschiibe für den Fünfliber (fünf livres, also französische Franken, mit denen man im Wirtshaus «renommieren» bzw. Grampol 'Lärm' verursachen konnte). Bei Stutz, laut Idiotikon in der «Studenten-, Soldaten- und Gassensprache» gebräuchlich, tappt man indes weitgehend im Dunkeln.
Bei Stei und Stutz kommt aber nun ein Thema ins Spiel, das alles noch komplizierter macht: die Währung. Beide bedeuten nämlich ins besondere 'Franken(stück)'. Bevor im 19. Jahrhundert der moderne Schweizerfranken eingeführt wurde, herrschten regional ganz unterschiedliche Währungen, die wiederum aus unterschiedlichen Münztypen und Einheitensystemen zusammengesetzt waren. Wen wundert es, dass Form und Qualität, Währung und Wert historischer Münztypen eine schier unendliche Vielfalt von offiziellen und scherzhaften Wörtern hervorgebracht haben? Diese böten Stoff für viele weitere Wortgeschichten. Eines aber sei abschliessend noch kurz erwähnt: Unsere Untereinheit, der Rappen, geht zurück auf eine elsässische Pfennigmünze mit einem schlecht aufgeprägten Adler, den man als 'Raben' (schwzdt. Rappe) verspottet hatte. Etabliert hat sich der Name wohl auch darum, weil ein Herr von Rappoltstein diesen Kolmar-Rappen im 13. Jahrhundert unbefugt – und wohl ebenso lausig – nachprägen liess. Frei nach dem Motto: «Über Geld spricht man nicht, man lässt es machen.»
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