Wortgeschichten

Eidechse

Die Sommerferien sind vorbei, doch wer zum Beispiel im Tessin in den Ferien war, erinnert sich sicher, wie bei jedem Schritt die Eidechslein fortgehuscht sind. Das Schweizerdeutsche kennt für dieses Tier zahlreiche Namen: Eidächsli (Basel, Zürich), Heidechsli (Bern, Innerschweiz, Ostschweiz), Eidöchsli und Eidochs (Bern, Solothurn, Luzern, Aargau), Heidöchsli und Heidochs (Freiburg, Berner Oberland, Uri), Egochs (Glarus, Linthebene), Hegöchsli und Högöchsli (Nordaargau), Eggessli, Eggöösseli, Eggeiss und Heggeissli (Schaffhausen), Igessli und Igissli (Schanfigg), Heggi und Hetzgi (Walensee), Eltex, Elstechsli, Eltöchsli, Öltöchsli und ähnlich (Schaffhausen, nördliches Zürich, St. Gallen, Appenzell), Gägäxli, Gegochs und Gogox (Bündner Herrschaft, Azmoos), Lattüechji und Lattuechi (Wallis, Graubünden), Chläbtüechtschi (Bosco/Gurin), Läbtüechli (Trimmis), Dachlatta (Lötschental), Liischeeterli (unteres Deutschwallis), Häärleischu (unteres Deutschwallis), Vierfüessler, Quatterpierzli und Quatterpertsch (St. Galler Rheintal, Tamins, Felsberg), Schwigger und Schwicker (Sarganserland, Safien)...

Hiervon gehen alle Varianten von Eidächsli über Heidöchsli, Egochs, Hegöchsli, Heggeissli, Igessli, Eltöchsli, Gägäxli bis und mit Gogox auf dasselbe Wort zurück, nämlich althochdeutsch egidechsa. Weiter zurück wird's schwierig, denn man weiss nicht, wie dieses egidechsa zu deuten ist. Womöglich liegt eine Zusammensetzung aus indogermanisch *ogwhi- ‹Schlange› und *tek- ‹laufen› vor, womit die Grundbedeutung ‹Schlangenläufer› bzw. ‹laufende Schlange› wäre. Klar hingegen ist, dass eine falsche Interpretation des Wortes «Eidechse» zum Gattungsbegriff Echse geführt hat: Der im 19. Jahrhundert lebende deutsche Naturforscher Lorenz Oken dachte, es läge in «Eidechse» eine Zusammensetzung mit «Eid» vor, und trennte folglich «Echse» als Oberbezeichnung ab – ein Wort, das es zuvor gar nicht gegeben hatte.

Die Herkunft von Lattüechji und sonstigen walliserischen und walserischen Konsorten ist ebenfalls dunkel (das Idiotikon wollte vor über hundert Jahren im Erstgenannten eine Grundbedeutung ‹geschwänzte Unke› erkennen). Ganz durchsichtig wiederum sind Vierfüessler bzw. dessen aus dem Rätoromanischen entlehnte Äquivalente Quatterpierzli und -pertsch, aber auch Schwigger, Schwicker, das zum Verb schwicke ‹sich rasch bewegen› gehört.

Das Eidechslein will sich vom Menschen also gar nicht vereinnahmen lassen – spürt es ihn kommen, eilt es davon, und sein Name hat sich schon so früh in zahlreiche Varianten aufgesplittert, dass er heute nicht mehr sicher erklärt werden kann ...


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