Wortgeschichten

Figgi und Müli haa

Illustration: Tizian Merletti

In den kommenden Wortgeschichten wollen wir einigen typisch schweizerdeutschen Wendungen nachspüren. In dieser Wortgeschichte geht es nun um «Figgi und Müli».

Figgi und Müli haa bedeutet «zwei Optionen zugleich offen haben». Der Begriff stammt aus dem Mühlespiel: Eine «Mühle», schweizerdeutsch Müli, sind im Mühlespiel (oder Nüünimool, -spiil, -schtäi, -zie, wie man hierzulande auch sagt) drei Steine der gleichen Farbe, die in einer Geraden auf Feldern nebeneinander liegen. Das Spiel heisst deshalb «Mühle», weil ein Gegner durch die Bildung einer «Doppelmühle» gleichsam «zermahlen» wird. Diese Doppelmühle heisst auf Schweizerdeutsch Figgi oder Figge. Das Substantiv Figgi ist vom Verb figge abgeleitet, was «reiben» bedeutet – hat man nämlich eine Figgi, wird der Gegner sozusagen «zerrieben». Und hat man ausser einer Figgi, also einer Doppelmühle, noch einmal eine zusätzliche Müli, dann ist der Gegner hoffnungslos verloren. Von daher stammt die alltagssprachliche Wendung Figgi und Müli haa: Man hat einen doppelten Vorteil, man hat zwei Wege, sein Ziel zu erreichen; man hat «gewonnenes Spiel». Erstmals bezeugt findet sich die Wendung übrigens in Hospinians (bzw. Rudolf Wirths) «Latinitatis purae viridarium» von 1683: «Er hat ein mühle und ein figgen, navis illius duabus anchoris tenetur» (sein Schiff wird durch zwei Anker festgehalten).

Ganz hübsch sind übrigens die Anwendungsbeispiele, die das Schweizerische Idiotikon anführt: «z. B. zwei Bräute zur Auswahl oder für den Notfall; aber auch von polygamistischen Verhältnissen eines Mannes; Alles aufs Beste eingerichtet haben; auch Raum zum Ausweichen haben; mit 4 Händen gewinnen; 2 Paten zu einem Kind haben; 2 Geschäfte zugleich betreiben». Das ist O-Ton von 1883!


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