huereguet
Der 2. Juni ist der «International Sex Workers' Day» – weshalb unsere heutige Wortgeschichte dem schweizerdeutschen Verstärkungswort huere- gewidmet ist. Hartnäckig hält sich das Gerücht, huere in Wörtern wie huereguet oder verstärkt uuhuereguet käme von «Ungeheuer». Aber warum eigentlich? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Dabei ist die Sache ganz einfach: Es liegt tatsächlich Huer «Hure» zugrunde.
Verstärkungswörter sind in ihrem Ursprung oft derbe Begriffe, wessen man sich heute aber vielfach gar nicht mehr bewusst ist. Bei sou(-guet), verfluecht (vill) oder verdammt (schön) ist die ursprünglich negative Bedeutung zwar noch ersichtlich. Aber wer weiss schon, dass in cheibe(-guet) und choge(-guet) alte Wörter für «Leichnam, Aas, Kadaver» stecken? Dass die Luzerner ihre rüüdig schön Fasnacht mit einem Wort charakterisieren, das eigentlich «räudig, von Krätzmilben befallen, hautkrank» bedeutet? Dass das so harmlose schampar eigentlich «mit Schande behaftet, ehrlos» meint? Dass das unchristliche Heide- in beispielsweise Heidelärme unseren Ahnen einen Schauer den Rücken hinunterjagte? Ja, dass selbst das so blasse sehr eigentlich «versehrt, wund, verletzt» meint?
Das Verstärkungswort huere- brauchen die Schweizer und Schweizerinnen schon lange. Der Lexikograph und Volkskundler Jakob Hunziker führt in seinem «Aargauer Wörterbuch» von 1877 Huereglück auf und definiert es mit «unverdientes Glück». Und auch im zweiten Band des «Schweizerischen Idiotikons», der in den 1880er-Jahren erarbeitet worden ist, heisst es unter dem Stichwort Huer: «Vor Substantiven und Adjektiven (auch von günstiger Bedeutung) gesetzt, hat Huer oft nur allgemein verstärkende Kraft, zum Beispiel Huereglück und huereschön» – beides aus der Stadt Luzern bezeugt. Unter Glück in demselben Band wird Huereglück als «Verstärkung von Glück» dann auch noch für Zürich bezeugt. Auch als Schimpfwort kann man es schon länger bezeugt finden: In der 7. und 8. Auflage der «Buredütsche G'schichtli, Gedichtli, Rym und Ränk» des Luzerner Mundartautors Josef Roos, der von 1851 bis 1909 lebte, heisst es beispielsweise: «De nänd s' halt ihri huere Velo under 's F.. [= Füdli]! Nur nid lauffe!»
Übrigens: Huer bzw. Hure geht auf ein indoeuropäisches Urwort zurück, das «gern haben, begehren» bedeutet und von dem auch das lateinische cārus «begehrt, lieb, teuer, wert» (und damit auch französisch cher «lieb, teuer») abstammt. Also eigentlich ein huereschönes Wort, nicht wahr?
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