Wortgeschichten

Mach nöd eso en Lätsch!

Illustration: Tizian Merletti

En Lätsch mache heisst «missmutig den Mund verziehen», lätsche meint «den Mund zum Weinen verziehen; weinen», und ein Brüel(l)ätsch ist ein «oft und laut weinendes Kind». Das Wort Lätsch hat eine überraschende Verwandtschaft: den Latz und das Lasso. Alle drei gehen letztlich auf lateinisch laqueus «Schlinge, Fallstrick» zurück, haben also gemeinsame Grosseltern – aber nicht gemeinsame Eltern.

  • Im Spanischen wurde lateinisch laqueus zu lazo, was neben der allgemeinen Bedeutung «Schlinge, Schlaufe» in Lateinamerika spezifisch auch «Wurfseil» bedeutet. Von dort haben wir unser Lasso.
  • Im Altfranzösischen wurde laqueus zu laz «Fessel, Schnürband» (neufranzösisch lacs), woher es dann ins Mittelhochdeutsche gelangte. Weil man früher den Schlitz zwischen den beiden Hosenbeinen mittels eines Schnürbandes zusammenband, entstand der Hoselatz, und weil man den Hosenlatz mit einer Klappe überdeckte, mutierte der Latz zur Bezeichnung erst dieses Stücks Stoff (auch Hoselade genannt), dann auch des Brustlatzes der einstigen Männer- und Frauenkleidung und schliesslich zum besonders ost- und innerschweizerischen Lätzli des Kleinkindes (anderswo Ässmänteli, Mu[e]sueli, Hängel, Lädi, Patsch, Schabet oder Blätz genannt).
  • Im Italienischen entwickelte sich laqueus zu laccio. Dieses italienische Wort haben die Alemannen als Lätsch übernommen. Seine Bedeutung ist auch hierzulande erst einmal «Schlinge» – etwa zum Festschnüren eines Bündels, zum Festhalten eines Stücks Vieh oder früher zum Fangen von Vögeln, dann auch «Schleife» an einer Schnur, einem Schuhbändel, einem Kleid oder als Masche beim Stricken. Die Bedeutung «verdriessliche Miene» ist erst sekundär: Der verzogene Mund erinnert ein bisschen an den Bogen einer Seilschlaufe – man vergegenwärtige sich etwa das Emoticon, das Enttäuschung ausdrückt!

(Co-Autor: Hans-Peter Schifferle)


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