Wortgeschichten

Panaché

Illustration: Tizian Merletti

Was dem Österreicher und Süddeutschen der Radler, dem Norddeutschen das Alsterwasser, ist der Schweizerin das Panaché (in jüngerer Zeit meist ohne das e am Wortende ausgesprochen: Panasch), ein Erfrischungsgetränk aus ungefähr hälftig Bier und Zitronenlimonade (in der Schweiz verallgemeinernd Citro genannt). Panaché ist entlehnt aus dem französischen Wort für ‘bunt gemischt’, eben panaché, und dokumentiert, wie das Schweizerdeutsche in vielen Lebensbereichen vom Französischen durchdrungen ist. Entgegen der landläufigen Meinung, diese französischen Wörter (wie auch Portemonnaie, Trottoir oder Perron) seien mit Napoleon exklusiv in die Schweiz gekommen, ist es vielmehr so, dass diese Wörter früher sogar eine viel grössere Verbreitung im ganzen deutschen Sprachraum hatten, im schweizerischen Deutsch jedoch bewahrt blieben. Und nicht anders verhält es sich mit dem Panaché: In Deutschland laut Duden «veraltet» und «noch landschaftlich», bekommt man es in der Schweiz noch immer in jedem Restaurant, wo man gerne zum Apéro ‘Aperitiv’ auch einmal ein Cüpli ‘ein Glas Sekt’ (aus französisch coupe ‘Schale’) bestellt. Mag ein heutiger Gourmet, ein Bier-Connaisseur oder Bier-Sommelier auch die Nase rümpfen ob der Verunreinigung seines edlen Gebräus durch eine schnöde Limonade (auch dies natürlich ein französisches Lehnwort), so passt der französische Name doch ganz prächtig in die Welt der feinen Lebensart, die einst aus der Grande Nation in unsere Salons und Restaurants importiert wurde.

Dabei ist das Panaché aber nicht einmal besonders alt und hat eine vergleichsweise abenteuerliche Wortgeschichte, die zunächst gar nichts mit süsslichen Rauschgetränken zu tun hatte: Im 19. Jahrhundert wurde das italienische Wort pennaccio ‘Federbusch’ (zu italienisch bzw. lateinisch penna ‘Feder’) ins Französische in der Form Panache ‘Feder-, Helmbusch’ entlehnt. Mit derselben Bedeutung gelangte es als der Panasch ins Deutsche, ebenso das dazu gebildete Verb panaschieren aus französisch panacher ‘mit einem Helmbusch schmücken, bunt machen’. Den Aspekt des Bunten, Gemischten griff dann einerseits das demokratische Wahlwesen auf (panaschieren im Sinne von ‘für Kandidaten verschiedener Parteien stimmen’), andererseits die Welt der Nahrungsmittelzubereitung: So versteht oder verstand man nämlich unter Panaché nicht nur das bekannte Biermischgetränk, sondern auch farblich gemischtes Speiseeis (glace panachée; vgl. unser Glacé!) sowie Kompott (französisch compote), Gelee (französisch gelée) und Konfitüre (französisch confiture) aus verschiedenen Früchten.

Mit der Verbannung von bunt gefiedertem Helmschmuck in die Museen gelangte auch der Panasch ins Wörtermuseum. Dem Panaché hingegen ging es nur teilweise an den Kragen: Die Frucht- und Eiszubereitungen haben zwar, wie erwähnt, je selber ganz praktische Wörter und brauchen somit kein Panaché mehr, und ausserhalb der Schweiz etablierten sich auch für das Biermischgetränk «deutschere» Wörter wie eben der Radler oder das Alsterwasser. Aber in der Schweiz fühlt sich das französische Panaché oder Panasch unter seinen zahlreichen welschen Artgenossen durchaus immer noch sehr wohl. Auch wenn der Connaisseur heute natürlich lieber zum Craft Beer greift.

 

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