Warum die Deutschschweizer/innen bei Regenwetter mit dem Sonnenschirm unterwegs sind
Was war im 19. Jahrhundert das volkstümlichste schweizerdeutsche Wort für den Regenschirm? Der Parasol – beziehungsweise seine dialektalen Ausformungen Baresol, Barisool, Parisool, Barisaal, Parisoo, Pärisou, Parisold, Pardisool und Pärdisool. Zu dieser verqueren Terminologie dürfte es gekommen sein, weil der Regenschirm aus dem Sonnenschirm entstanden ist – und letzterer lange Zeit viel üblicher war. Erste Regenschirme gab es in der Schweiz zwar ab dem 18. Jahrhundert (in Winterthur soll man ihn erstmals 1727 gesehen haben), aber Schirme waren noch lange primär etwas fürs schöne Wetter. Um sich vor Regen zu schützen, kleidete man sich viel eher entsprechend und setzte einen wasserfesten Hut auf. Der Solothurner Franz Josef Schild (1821–1889) schrieb: «Vo Barisööle het mer weeni gwüsst zu myner Zyt; ig weiss, der Pfaarer het der einzig ghaa am ganze Lääberbäärg.» Und warum ein französisches Wort? Weil die Mode aus Paris kam. So berichtet Walter Meier (1837–1901) aus Liestal, der Händler habe, «wo d Parisööl im Aafang vo däm Joorhundert uufchoo syy, vil rooti Parisööl vo Paris lo choo».
Neben dem fast omnipräsenten «falschen» Parasol fristete der «richtige» Paraplui – beziehungsweise dialektal Pareplüü, Bareplüü, Baareblii oder Päreplü – ein vergleichsweise bescheidenes Dasein an der Sprachgrenze. Immerhin integrierten ihn die Basler in einen Kraftausdruck: «Botz duusige Dotzed Baareblii!»
Ein gängiges, aber schon im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert allmählich veraltendes Synonym war das Rägedach (Rägetach) oder kurz Dach (Tach). 1758 verordnete die Basler Obrigkeit, dass «mit den Regentächeren kein Staat geführt werden» solle. Den Rägeschirm gab es damals natürlich auch schon – und gewettert wurde auch gegen ihn: So brachte es einen Autor des im Aargau gedruckten Huwiler Kalenders 1852 auf die Palme, «wen esoo e hoffärtigs Puuremäitli mit eme gfärbte Rägeschirm in d Chile oder uff e Määrt goot». Dabei sind bunte Schirme doch die beste Methode, um gegen das graue Regenwetter anzukämpfen, nicht wahr?
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