Wortgeschichten

Wenn Trunkenbolde den Murtenpsalm singen und Vielfrasse tälleren

Wer über die vergangenen Feiertage zu viel gegessen hatte, litt danach womöglich an Übelkeit oder Nausea. Der Bildhaftigkeit des lateinischen Fachausdrucks, von griechisch nautía «Seekrankheit», stehen die Dialekte keineswegs nach, wenn es um die Folgen von Übelkeit, das Erbrechen, geht. Schon im 16. Jahrhundert verzeichnet Josua Maaler in seinem Wörterbuch die Redewendung em Ueli rüeffe «sich erbrechen». Laut dem Schweizerischen Idiotikon geht d...
Weiterlesen
Markiert in:

Drittes Geschlecht: Zwick, Stack und Bidibeidi

Seit das deutsche Bundesverfassungsgericht die rechtliche Anerkennung eines dritten Geschlechts gefordert hat, ist das Stichwort inter/divers in aller Munde. Uneindeutige Geschlechtsmerkmale gab es natürlich schon vorher. Zur Benennung von Menschen dieser Geschlechtsausprägung griff man einfach auf Bezeichnungen für tierische Zwitter oder Hermaphroditen zurück: Ein Zwick m./n. ist ein «Tier mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen». Da solche Tiere...
Weiterlesen
Markiert in:

Focaccia und Fogetzebrot – New meets Old

Wer kennt sie nicht, die Focaccia? Das aus Italien stammende und nun auch in germanischen Gefilden modisch gewordene, mit Olivenöl und Salz gewürzte und allenfalls mit weiteren Zutaten versehene Fladenbrot? Es ist auf unseren Esstischen angekommen – und damit auch im Schweizerdeutschen. Kaum jemand aber weiss, dass wir das gleiche Wort schon einmal in unserer Sprache hatten, bis es im 19. Jahrhundert ausgestorben ist: das Fogetze-, Fogesse- oder ...
Weiterlesen
Markiert in:

allpott

Das Wörtlein allpott brauchen wir im Zusammenhang mit «nicht periodischen Vorgängen und Zuständen, die sich in kurzen Zwischenräumen wiederholen», wie es im Schweizerischen Idiotikon heisst. Der Thurgauer Otto Nägeli schrieb 1898 etwa von einem Ruderer: Dää mues allpott verschnuufen und d Händ mit Chlopfe vertwärme. Im Büchlein «Sang und Klang» von 1899 steht: Myn Schatz chood allpott vor s Lädeli, macht: pst! ond: wo bischt? Und 1651 meinte ein ...
Weiterlesen
Markiert in:

Seda, sine, sabie, selewie, senusedänn...

Wir fahren fort in unserer Serie geheimnisvoller Kleinwörter. Diesmal geht es um se, sèda, sine, sabie, selewie und Konsorten. Sèda kennen zumindest noch die Älteren unter uns. Es wird beispielsweise gesagt, wenn man einem Kind etwas reicht, und steht für «da, nimm, voilà». Im vorderen Teil des Wortes steckt ein altes germanisches Wort, das im Gotischen als sai und im Althochdeutschen als sē vorkam; es bedeutete etwa «wohlan», «nun denn». Im Schw...
Weiterlesen
Markiert in:

Ansteckende Krankheiten: Ettiker, Serbet, Sundersiechtum, Muselsucht – und die Chäferli

Schwulenpest nannten noch vor Kurzem manche Aids politisch ganz unkorrekt. Heute hat die Krankheit, obwohl immer noch nicht heilbar, ihren Schrecken weitgehend eingebüsst, und der eine oder die andere spricht euphemistisch von einem Chäferli, das Angesteckte aufgelesen oder eingefangen haben. Ins Idiotikon haben es weder Schwulenpest noch Chäferli geschafft, weil es die Krankheit noch nicht gab, als die entsprechenden Bände erschienen. Chäferli k...
Weiterlesen
Markiert in:

Wenns im Tram nebenan grogget, ghückt, hürchlet, chälzet und würchlet...

… ist es wieder Winter und die Deutschschweiz beim Husten vereint. Zugegeben, heute sagen wir vermutlich alle einfach hueste. Dabei wäre es ganz praktisch, wenn wir in der Arztpraxis ein genaueres Vokabular hätten, um die unterschiedlichen Hustenarten zu benennen. Als da wären: Der allgemeine, unspezifische Hueste, früher auch Wueste, in Wohlen AG Würchel. In seiner trockenen Form hiess er im Berner Oberland Chnütscher, im Aargau dagegen Gauzer, ...
Weiterlesen
Markiert in:

Warum die Deutschschweizer/innen bei Regenwetter mit dem Sonnenschirm unterwegs sind

Illustration: Tizian Merletti
Was war im 19. Jahrhundert das volkstümlichste schweizerdeutsche Wort für den Regenschirm? Der Parasol – beziehungsweise seine dialektalen Ausformungen Baresol, Barisool, Parisool, Barisaal, Parisoo, Pärisou, Parisold, Pardisool und Pärdisool. Zu dieser verqueren Terminologie dürfte es gekommen sein, weil der Regenschirm aus dem Sonnenschirm entstanden ist – und letzterer lange Zeit viel üblicher war. Erste Regenschirme gab es in der Schweiz zwar...
Weiterlesen

Konfitüre – einst und heute

Wirft man einen Blick auf die Karte «die Konfitüre» des Sprachatlasses der deutschen Schweiz, traut man seinen Augen nicht: Während wir heute wohl fast alle Gomfi oder Gumfi sagen, galten noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ganz andere Wörter. In der westlichen und zentralen Deutschschweiz dominierte immerhin schon «halbmodernes» Gomiftüüre, Gumfitüüre, ansonsten aber brauchte man heute so merkwürdig anmutende Wörter wie Iigmach(e)ts o...
Weiterlesen
Markiert in:

huereguet

Der 2. Juni ist der «International Sex Workers' Day» – weshalb unsere heutige Wortgeschichte dem schweizerdeutschen Verstärkungswort huere- gewidmet ist. Hartnäckig hält sich das Gerücht, huere in Wörtern wie huereguet oder verstärkt uuhuereguet käme von «Ungeheuer». Aber warum eigentlich? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Dabei ist die Sache ganz einfach: Es liegt tatsächlich Huer «Hure» zugrunde. Verstärkungswörter sind in ihrem Urspru...
Weiterlesen

Lööl (Löu), Lööli

Der Lööli oder Lööl (bzw. Löu) oder auch Lool ist bekanntlich ein Dummkopf, ein Einfaltspinsel. Was die Herkunft des Wortes angeht, denkt man an einen losen Zusammenhang mit der lautmalerischen Wortfamilie von lallen «undeutlich sprechen» und lullen «leise singen». Früher sprach man auch vom Lollbruder und vom Lollhart, beides spöttische Begriffe für einen (ungelehrten) Mönch. Das Wort ist schon seit mehreren Jahrhunderten geläufig. Der älteste b...
Weiterlesen
Markiert in:

Verzell kän Hawass (Habasch)

Im Schweizerischen Idiotikon wird immer wieder das Wort Habasch gesucht – aber nie gefunden. Warum? Der betreffende Band ist im späten 19. Jahrhundert verfasst worden, zu einer Zeit, als es das fragliche Wort noch gar nicht gab. Den wohl ersten schriftlichen Beleg finden wir in Hanns Bächtolds «Die schweizerische Soldatensprache 1914–1918», herausgekommen 1922 in Basel. Hier wird die Wendung Wolff und Havas aufgeführt und mit der Bedeutung «unwah...
Weiterlesen
Markiert in:

Cholera

Wer im Wallis in den Skiferien war, kennt die Cholera zumindest von der Menükarte her, und vielleicht hat er/sie sich vielleicht sogar getraut, das Gericht zu bestellen. Es handelt sich dabei um eine Speise, die heute aus Teig, Lauch, Kartoffeln, Käse und Äpfeln besteht; laut dem «Schweizerischen Idiotikon» wurde der Teig im 19. Jahrhundert hingegen lediglich mit geschnittenen Äpfeln und Käsescheiben belegt, diese dafür gerne mit Zucker bestreut....
Weiterlesen
Markiert in:

Ochs und Esel

Illustration: Tizian Merletti
Unsere Weihnachts-Wortgeschichte widmen wir den wichtigsten Nebenfiguren bei der Geburt Christi: dem Ochsen und dem Esel. Sachlich dürfte es klar sein: Im Stall stand kaum ein Zuchtstier, sondern wohl ein kastrierter Ochse, den man für schwere Arbeiten gebrauchen konnte. Sprachlich sind die Verhältnisse für uns Deutschsprachige aber nicht so eindeutig, denn Ochs(e) konnte früher sowohl das verschnittene als auch das nicht verschnittene Rind bezei...
Weiterlesen
Markiert in:

Das Giritzenmoos

Es gibt in der Schweiz eine kahle Heide, die mit Disteln, verkrüppelten Bäumen und Stauden bestanden ist, wo rotes Flööschwasser (abgestandenes Wasser) dümpelt, Näschpli (Mispeln) und Brambeeri (Brombeeren) wachsen und einen die Brääme (Bremsen) plagen – das Giritzenmoos! Dort halten sich die verstorbenen Jungfrauen und Jünglinge als Strafe für ihre Ehelosigkeit auf. Die einen sagen, die ledig Verstorbenen würden sich in Kiebitze – im Dialekt Gir...
Weiterlesen

Heugümper, Heustraffel und Heustöffel

Vor hundert Jahren gab es den Heugümper fast nur im Aaretal zwischen dem Seeland und dem Wasserschloss sowie im Freiamt – so jedenfalls wurde er im Sprachatlas verortet. Im Jura und in einem Teil des Thurgaus sagte man leicht abweichend Heu- oder Mattegumper (also mit -u- statt -ü-), im Zürcher Oberland Heugüpfer, im Oberthurgau und im st.gallischen Fürstenland Heujucker und überdies laut Idiotikon im Aargau auch Heugümpel. Fast die gesamte übrig...
Weiterlesen
Markiert in:

Aprikose, Barille, Baringeli, Marille, Amerille – und Äämerich

Jetzt sind sie wieder reif, die Aprikosen! Im modernen Schweizerdeutsch gilt dieses Wort wohl überall. Nach den zwischen 1939 und 1957 erhobenen Daten des Sprachatlasses der deutschen Schweiz war Aprikose aber erst in der westlichen und in der östlichen Deutschschweiz bekannt; im Kanton Zürich galt damals noch geschlossen Barile, in Teilen der Innerschweiz und im östlichen Aargau Baringeli und im Wallis Ääm(e)rich, Äämbrich. Noch einmal ein paar ...
Weiterlesen
Markiert in:

Moin – die Ostfriesen erobern die Schweiz

Letzthin wurde die Redaktion angefragt, warum man denn das «berndeutsche» Grusswort moin im Idiotikon nicht finde. Nun, da moin also definitiv in der Schweiz angekommen ist, darf es auch eine unserer Wortgeschichten beanspruchen! Restlos geklärt ist die Herkunft von moin nicht, doch norddeutsch ist es auf jeden Fall. Womöglich ist das Wort im Niederländischen sowie im nordwestlichen Niederdeutsch (dem zwischen Bremen und der deutsch-niederländisc...
Weiterlesen

Waggis

Der Waggis ist eine der beliebtesten Figuren an der Basler Fasnacht. Er stellt dort, ausgestattet mit einer übergrossen Nase, einen elsässischen Taglöhner in der Werktagstracht eines Gemüsebauern dar. Woher das Wort kommt, ist allerdings umstritten. Alte Quellen fehlen; erstmals schriftlich belegt findet sich der Waggis im Jahre 1870 in der Schweizer Zeitschrift «Gwunderchratte». Das Wort kommt in den Varianten Waggis, Wagges, Wackes und ähnlich ...
Weiterlesen

Potz Sackerzucker, das isch misex e verdaalisch tüüggerischi Spraach!

Kraftausdrücke sind stark dem gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld unterworfen. Um seine Ausdrucksweise zu würzen, berief man sich früher gerne auf Gott und Teufel, auf Seele, Sakrament, Eid und Verdammung. So richtig wohl war es einem dabei aber nicht, weshalb unser älteres Schweizerdeutsch zahlreiche Verballhornungen dieser heiklen Wörter kennt. Wir bringen im Folgenden einige Beispiele. Gott, Gottes- wurde zu Botz oder Bott. So hiess es e...
Weiterlesen
Markiert in:
Nach oben